Städtebau am Einsturzort

 

von Thomas Luczak

 

Die Stärke einer Stadt zeigt sich nicht so sehr in ihren Siegen, sondern im Umgang mit Niederlagen und Demütigungen. Herausragende Beispiele dafür gibt es auch in Köln: z.B. St. Alban. Pikant wird es dann, wenn die Katastrophen hausgemachte Ursachen haben. Dann möchte mancher am liebsten die Zeichen der Zerstörung schnellstmöglich beseitigen und das Thema auf Gedenktafeln und konventionelle Kunstwerke einschrumpfen. Im Stadtinteresse liegt es aber, die Erinnerung an den Sturz, der von dem verhängnisvollen Rückzug der öffentlichen Hand aus der Verantwortung für ihren eigenen Grund kündet, für alle Zeiten in der Topographie der Stadt zu markieren. Wie das geschieht – ob z.B. durch Freihalten des Volumens wie beim Gülichplatz – durch eine öffentliche Nutzung des Kraters oder eine herausgehobene mischgenutzte Platzfläche quer über die Straße hinweg – müsste die erste Frage an den Raum sein. Insoweit ist es bedauerlich, dass der städtebauliche Wettbewerb hier desensibilisierend wirkt, wenn er die Zusammenarbeit mit Landschaftsarchitekten empfiehlt, die mit Künstlern aber nur freistellt. Es ist aber eine zunächst künstlerische Aufgabe, Möglichkeiten der Verteilung von Bauvolumen, Erinnerungsorten, Umgang mit Fluchtlinien, Leerräumen usw. zu definieren, und dann weitere Funktionszuordnungen vorzunehmen, sonst droht die Erinnerungsarbeit im Zielkonflikt mit Wirtschaftlichkeit und normierten Städtebau unterzugehen. Ergebnis wären dann möglicherweise gutgemeinte, aber notgedrungen verharmlosende „Kunst am Bau“-Vertröstungen. Es geht dabei nicht in erster Linie um Abstriche am realisierbaren Bauvolumen, sondern um dessen Verteilung und Zuordnung. Dem Quartier sei baldige Ruhe und Frieden gegönnt. Aber zwischen Frieden und Friedhofsruhe besteht ein Unterschied. Auf alle Zeiten sollte hier ein leichtes Vibrieren spürbar bleiben, ein in die Topographie der Stadt eingeritztes Megazeichen.

 

31.05.2012

 

© Thomas Luczak